Kolumne: Vom Tattoo zur Theorie

Golfsuisse 03-16

Vom Tattoo zur Theorie

Frau Muggli hat jetzt zugegeben, dass sie sich mit dem Gedanken trage, sich etwas auf den Unterarm tätowieren zu lassen. Innenseitig. Natürlich nicht irgendetwas rein Dekoratives wie eine Rose, einen Schmetterling oder ein Eichhörnchen oder so. Nein, sie denke da eher an etwas Sinnstiftendes. Vielleicht einen Spick fürs perfekte Timing des Golfschwungs. «Co-ca-Co-la», «Mis- sis-sip-pi» oder «Mu-rat-Ya-kin». Und sie wäre also bigoscht nicht die erste Golferin mit einem Tattoo unter der Haut. In ihrem Club gäbe es einige Ladys, die eine Tätowierung trügen. Beim Duschen könne man auch ohne Brille gestochen scharf sehen, was längst schon nicht mehr scharf sei. Also zum Beispiel eine verschwommene Elfe auf dem Schulterblatt, ein Maulwurf auf dem Dekolleté (Regel 25-1), ein Arschgeweih über dem Steiss oder ein blassblaugrauer «loser Naturstoff» in Form eines Cannabisblattes auf der Füdlibagge. Albert Einsteins legendäre Golfformel E = mc18 (!) wäre allerdings auch ein motivierendes Motiv. Denn Golf sei ja schliesslich nichts anderes als die Praxis der Relativitätstheorie; also relativ relativ. Die Theorie hingegen, insbesondere jene, die von den Novizen für das Erlangen der Platzreife neuerdings gebüffelt werden müsse, sei alles andere als «Golf – it’s magic». Das hätte sie festgestellt, als sie mit ihrem Schwager den – für einen Anfänger kaum lösbaren – Fragebogen durchgeackert habe.

Ganz beknackt fände sie da zum Beispiel die Frage nach dem korrekten Vorgehen, wenn ein im Bunker unter Blättern versteckter Ball beim Suchen respektive Finden bewegt wird. Also, sie müsse sagen, dass ihr das in 15 Jahren a) noch nie passiert sei, weil sie b) auf solch ungepflegten Plätzen gar nicht erst spiele! Aber angenommen, sie würde den Ball c) beim Stochern in so einem Blätterhaufen nicht bewegen, wäre das ja ein Wunder und sie würde sich auf der Stelle zur Mikado-WM anmelden. Auf die originelle Idee, den Ball d) (nachdem sie sich einen Strafschlag geben musste (Regel 18-2)) fein säuberlich wieder so zuzudecken, dass man nur noch ein winziges Fleckchen von ihm sehen könne, auf diese absolut groteske Idee würde sie also nicht einmal im Traum kommen. Für die Profis mögen solche Regeln vielleicht Sinn machen, aber «für unsereiner» (und dabei tippte sie sich mit dem Zeigefinger aufs nichttätowierte Brustbein) seien solch spitzfindige Regeln doch alles andere als määdschigg. Die bizarre Zusammenstellung der Prüfungsfragen lasse sie vermuten, dass die Verantwortlichen wenig Ahnung von der Realität hätten.

Angesichts des Schwundes der Aktiven und der grossen Herausforderung, neue Enthusiasten für ein Spiel zu begeistern, das 1. zu schwierig ist, 2. zu lange dauert und 3. viel zu teuer ist, betrachte sie es als einen marketingtechnischen Schuss ins Knie (Regel 19-2), interessierten Neugolfern den Einstieg in die Praxis mittels völlig unnötiger theoretischer Hindernisse zu erschweren. Denn ehrlich gesagt sei die Theorie beim Golfen ja noch nie das Problem gewesen. Mindestens nicht bei ihr. Theoretisch sei sie nämlich eine Bombe.


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